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Streitgenossenschaft
(recht.zivil.formell.prozess und recht.ref.zpo1)
    

Inhalt
             1. einfache Streitgenossenschaft
             2. notwendige Streitgenossenschaft
                2.1. prozessrechtlich notwendige Streitgenossenschaft
                2.2. materiellrechtlich notwendige Streitgenossenschaft
             3. Rechtsfolgen bei fehlenden Voraussetzungen
             4. Rechtsfolgen bei fehlenden Sachurteilsvoraussetzungen

Von einer Streitgenossenschaft spricht man, wenn im Zivilprozess mehrere Parteien auf einer Seite als Kläger oder Beklagte stehen. Zwischen jeder Partei und dem Gericht besteht ein eigenes Prozessrechtsverhältnis. Es gilt der Grundsatz der Selbständigkeit jedes Streitgenossen (§ 61 ZPO).

Eine Streitgenossenschaft entsteht bzw. kann entstehen:

  • Wenn eine Klage von mehreren Klägern oder gegen mehrere Beklagte erhoben wird,
  • wenn eine Partei beitritt,
  • wenn mehrere Prozesse gemäß § 147 ZPO verbunden werden,
  • bei einem Parteiwechsel.

Man unterscheidet zwischen der einfachen und der notwendigen Streitgenossenschaft.

1. einfache Streitgenossenschaft

Von einer einfachen Streitgenossenschaft spricht man, wenn die Entscheidung gegenüber den Streitgenossen nicht einheitlich ergehen muss. Hier reichen die Handlungen des einzelnen Streitgenossen gemäß § 61 ZPO den anderen weder zum Vor- noch zum Nachteil. Das Gesetz unterscheidet bei der einfachen Streitgenossenschaft gemäß §§ 59, 60 ZPO drei Fälle:

  • Streitgenossenschaft bei Rechtsgemeinschaft (z.B. Gesamtschuldner, oder -gläubiger, Gesamthandsgemeinschaft [aber nur bei Passivprozessen], § 59 Alt. 1 ZPO.
  • Derselbe tatsächliche und rechtliche Grund (d.h. gleicher Tatbestand und gleiche Anspruchsgrundlage), § 59 Alt. 2 ZPO.
  • Bei gleichartigen Ansprüchen oder im wesentlichen auf gleichartigem tatsächlichen und rechtlichen Grunde beruhenden Ansprüchen.

In der Praxis werden diese Gründe nicht getrennt sondern einheitlich betrachtet, um eine Streitgenossenschaft zu ermöglichen, wenn ein "triftiger Grund" besteht (Musielak, Grundkurs ZPO, Rn. 229).

2. notwendige Streitgenossenschaft

Bei der notwendigen Streitgenossenschaft muss das Gericht im Gegensatz zur einfachen Streitgenossenschaft die Entscheidung einheitlich treffen. Daher ist hier der Grundsatz der Selbständigkeit der Streitgenossen eingeschränkt, wenn die einheitliche Entscheidung gefährdet würde.

Säumige Streitgenossen gelten gemäß § 62 ZPO als von den Erschienenen vertreten. Eine fristgemäße Vornahme von Prozesshandlungen durch einen Streitgenossen wahrt die Frist für alle. Nimmt ein Streitgenosse die Klage zurück, so wirkt das für alle (Die Zulässigkeit der Rücknahme durch einen Streitgenossen ist aber umstritten, siehe Musielak, Grundkurs ZPO Rn. 237).

Die notwendige Streitgenossenschaft lässt sich aufteilen in die prozessrechtlich und die materiellrechtlich notwendige Streitgenossenschaft.

2.1. prozessrechtlich notwendige Streitgenossenschaft

Eine prozessrechtlich notwendige Streitgenossenschaft liegt vor, wenn jeder Streitgenosse einzeln klagen oder verklagt werden kann, aber die Entscheidung für alle Streitgenossen nur einheitlich ergehen kann, d.h. die Rechtskraft sich auf alle Streitgenossen erstreckt. Dabei kann die Rechtskraft allseitig (d.h. sowohl bei Erfolg als auch bei Niederlage) oder einseitig (entweder nur bei Erfolg oder nur bei Niederlage) wirken.

Beispiel: Klagt ein Aktionär auf Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses, und gewinnt er, so gilt die Rechtskraft dieses Urteils gemäß § 248 AktG für alle Aktionäre. Verliert er, können andere Aktionäre trotzdem noch Klage gegen den Beschluss erheben (einseitige Bindung).

2.2. materiellrechtlich notwendige Streitgenossenschaft

Bei der materiellrechtlich notwendigen Streitgenossenschaft können die Streitgenossen nur gemeinsam klagen oder verklagt werden. Dem einzelnen Streitgenossen fehlt die Prozessführungsbefugnis.

Bei Leistungsklagen liegt auf Beklagtenseite eine notwendige Streitgenossenschaft vor, wenn die eingeklagte Leistung nur von allen Beklagten gemeinsam erbracht werden kann.

Beispiel: Gesamthänder können ein ihnen gemeinschaftlich zustehendes Recht nur gemeinsam einklagen. Eine Miteigentümergemeinschaft kann nur gemeinsam auf die Eigentumsübertragung von einem ihr gehörigen Grundstück verklagt werden.

Entsprechend liegt bei Gestaltungsklagen eine materiellrechtlich notwendige Streitgenossenschaft vor, wenn das Gestaltungsurteil nur einheitlich gegenüber allen Streitgenossen ergehen kann.

Beispiel: Die Klage auf Auflösung einer OHG gemäß § 133 HGB kann nur gegenüber allen Gesellschaftern einheitlich entschieden werden.

Bei Feststellungsklagen richtet sich die notwendige Streitgenossenschaft nach dem festzustellenden Recht. Kann dieses bei einer Leistungsklage nur durch oder gegen alle Streitgenossen geltend gemach werden, gilt das auch für eine entsprechende Feststellungsklage.

3. Rechtsfolgen bei fehlenden Voraussetzungen

Liegen die Voraussetzungen für eine Streitgenossenschaft nicht vor, dann ordnet das Gericht zwingend gemäß § 145 Abs. 1 ZPO an, dass über die Klagen in getrennten Prozessen verhandelt wird (Prozesstrennung). Dabei ist umstritten, ob das nur für die Voraussetzung gleiche Prozessart und Fehlen eines Verbindungsverbots oder für alle gilt. Weiter ist die Frage streitig, ob eine Heilung durch rügeloses Einlassen gemäß § 295 Abs. 1 ZPO möglich ist (siehe zu beidem Musielak, Grundkurs ZPO, Rn. 238 aE mwN). Ansonsten entscheidet das Gericht nach pflichtgemessen Ermessen über die Verbindung oder Trennung, auch dann wenn die Voraussetzungen vorliegen. Gebunden ist die Entscheidung nur, wenn die Verbindung gesetzlich vorgeschrieben ist (siehe Musielak, Grundkurs ZPO, Rn. 230 aE). Bei seiner Entscheidung orientiert sich das Gericht daran, was im Interesse der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung ist.

4. Rechtsfolgen bei fehlenden Sachurteilsvoraussetzungen

Liegen bei einem Streitgenossen die Sachurteilsvoraussetzungen nicht vor, so ist bei der einfachen und der prossrechtlich notwendigen Streitgenossenschaft die Klage des betroffenen Streitgenossen mit einem Teilurteil abzuweisen. Bei der materiellrechtlich notwendigen Streitgenossenschaft ist die Klage wegen fehlender Prozessführungsbefugnis insgesamt abzuweisen.

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Auf diesen Artikel verweisen: parteierweiternde Widerklage * Sammelklage * Parteibeitritt * Parteibeitritt * Gesamtschuldklage/Gesamthandsklage * streitgenössische Nebenintervention * § 36 ZPO Gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit * Prozessführungsbefugnis/Prozessstandschaft * Prozessvergleich, Beteiligte