|
Von einem Anscheinsbeweis (= prima-facie-Beweis = Beweis des ersten Anscheins) spricht man, wenn ein Sachverhalt erfahrungsgemäß auf einen bestimmten Geschehensablauf hindeutet und diesen somit beweist.
Im Zivilprozess kann mit dem Anscheinsbeweis die Behauptung eines bestimmten Kausalverlaufs bewiesen werden. Der Anscheinsbeweis kann durch den Gegenbeweis des atypischen Kausalverlauf erschüttert werden.
Beispiel:
Z.B. lässt die Tatsache dass nach Entwenden einer EC-Karte sofort mit der richtigen Geheimzahl (PIN) ohne Fehlversuche Geld abgehoben wurde, darauf schliessen, dass die Eigentümerin der entwandten EC-Karte diese gemeinsam mit ihrer PIN aufbewahrt hat. Für die Behauptung der gemeinsamen Aufbewahrung ist damit der Anscheinsbeweis erbracht worden.
Gegenbeispiel:
Ein Beweis des ersten Anscheins für einen harten Fremdkörper in einem Hackfleischröllchen wurde vom BGH für den Fall verneint, dass beim Verzehr eines Grilltellers mit verschiedenen Fleichsorten und Hackfleischröllchen, beim Biss in das Hackfleisröllchen der Zahn abbricht: "Das Abbrechen eines Zahns beim Verzehr eines aus verschiedenen Fleischstücken und Hackfleischröllchen bestehenden Gerichts ist nicht nach der Lebenserfahrung typischerweise auf das Vorhandensein eines in der Hackfleischmasse verborgenen festen (Fremd-)Körpers zurückzuführen. Vielmehr kommen dafür auch andere, nicht fernliegende Ursachen wie etwa eine Vorschädigung des abgebrochenen Zahns oder die versehentliche Mitaufnahme von Knochen- oder Knorpelresten, die nach dem Verzehr anderer Fleischstücke im Laufe der Mahlzeit auf dem Teller zurückgeblieben sind, in Betracht. (Pressemitteilung BGH, Urt. v. 5. 4. 2006 – VIII ZR 283/05)
Im Strafprozessrecht ist der Anscheinsbeweis unzulässig (siehe Roxin, Strafverfahrensrecht, § 15 Rn. 16). Zulässig ist aber der vom Anscheinsbeweis zu unterscheidende Indizenbeweis.
Werbung:
| |