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Volksgerichtshofurteil gegen die weiße Rose
(recht.geschichte.20)
    

Inhalt
             1. G r ü n d e

Im Namen des Deutschen Volkes

In der Strafsache gegen

1. den Hans Fritz S c h o l l aus München,
geboren in Ingersheim am 22. September 1918,

2. die Sophia Magdalena S c h o l l aus München,
geboren in Forchtenberg am 9. Mai 1921,

3. den Christoph Hermann P r o b s t aus Aldrans bei Innsbruck,
geboren in Murnau am 6. November 1919,

zurzeit in dieser Sache in gerichtlicher Untersuchungshaft, wegen landesverräterischer Feindbegünstigung, Vorbereitung zum Hochverrat, Wehrkraftzersetzung

hat der Volksgerichtshof, 1. Senat, auf Grund der Hauptverhandlung
vom 22. Februar 1943, an welcher teilgenommen haben
als Richter:

Präsident des Volksgerichtshofs Dr. Freisler, Vorsitzer,
Landgerichtsdirektor Stier,
SS-Gruppenführer Breithaupt,
SA-Gruppenführer Bunge,
Staatssekretär und SA-Gruppenführer Köglmaier,
als Vertreter des Oberreichsanwalts:
Reichsanwalt Weyersberg,

für Recht erkannt: Die Angeklagten haben im Kriege in Flugblättern zur Sabotage der Rüstung und zum Sturz der nationalsozialistischen Lebensform unseres Volkes aufgerufen, defätistische Gedanken propagiert und den Führer aufs gemeinste beschimpft und dadurch den Feind des Reiches begünstigt und unsere Wehrkraft zersetzt.

Sie werden deshalb mit dem T o d e bestraft.

Ihre Bürgerehre haben sie für immer verwirkt.

1. G r ü n d e

Der Angeklagte Hans Scholl hat seit Frühjahr 1939 Medizin studiert und steht - dank der Fürsorge der nationalsozialistischen Regierung - im achten Semester. Zwischendurch war er im Frankreichfeldzug in einem Feldlazarett und von Juli bis November 1942 an der Ostfront im Sanitätsdienst tätig.

Als Student hat er die Pflicht vorbildlicher Gemeinschaftsarbeit. Als Soldat - er ist als solcher zum Studium kommandiert - hat er eine besondere Treuepflicht zum Führer. Das und die Fürsorge, die gerade ihm das Reich angedeihen ließ, hat ihn nicht gehindert, in der ersten Sommerhälfte 1942 Flugblätter "der Weißen Rose" zu verfassen, zu vervielfältigen und zu verbreiten, die defätistisch Deutschlands Niederlage voraussagen, zum passiven Widerstand der Sabotage in Rüstungsbetrieben und überhaupt bei jeder Gelegenheit auffordern, um dem deutschen Volk seine nationalsozialistische Lebensart und also auch Regierung zu nehmen.

Das, weil er sich einbildete, dass nur so das deutsche Volk durch den Krieg durchkommen könne!!

Von Russland im November 1942 zurückgekehrt, forderte Scholl seinen Freund, den Mitangeklagten Probst auf, ihm ein Manuskript zu liefern, das dem deutschen Volk die Augen öffne! Einen Flugblattentwurf, wie gewünscht, lieferte Probst dem Scholl auch tatsächlich Ende Januar 1943.

In Gesprächen mit seiner Schwester Sophia Scholl entschlossen sich beide, Flugblattpropaganda im Sinne einer Arbeit gegen den Krieg und für ein Zusammengehen mit den feindlichen Plutokratien gegen den Nationalsozialismus zu treiben. Die beiden Geschwister, die ihre Studentenzimmer bei derselben Vermieterin hatten, verfassten gemeinsam ein Flugblatt "an alle Deutschen. In ihm wird Deutschlands Niederlage im Krieg vorausgesagt: der Befreiungskrieg gegen das "nationalsozialistische Untermenschentum" angesagt und es werden Forderungen im Sinne liberaler Formaldemokratie aufgestellt. Außerdem verfassten die Geschwister ein Flugblatt "deutsche Studentinnen und Studenten" (in späteren Auflagen "Kommilitoninnen und Kommilitonen"). Sie sagen der Partei den Kampf an, der Tag der Abrechnung sei gekommen, und scheuen sich nicht, ihren Aufruf zum Kampf gegen den Führer und die nationalsozialistische Lebensart unseres Volkes mit dem Freiheitskampf gegen Napoleon (1813) zu vergleichen und auf ihn das Soldatenlied "Frisch auf mein Volk, die Flammenzeichen rauchen!" anzuwenden!!!

Die Flugblätter haben die Angeklagten Scholl teilweise mit Hilfe eines Freundes, des Medizinstudenten Schmorell, vervielfältigt und in allseitigem Einvernehmen verbreitet:

1. Schmorell fuhr nach Salzburg, Linz, Wien und warf dort 200, 200, 1200 adressierte Flugblätter für diese Städte und in Wien außerdem 400 für Frankfurt am Main in Briefkästen.

2. Sophia Scholl warf in Augsburg 200 und ein andermal in Stuttgart
600 in Postbriefkästen.

3. Nachts streute Hans Scholl zusammen mit Schmorell Tausende in Münchner Straßen aus.

4. Am 18. Februar legten die Geschwister Scholl 1500-1800 in der Münchener Universität in Päckchen ab und Sophia Scholl warf einen Haufen vom 2. Stock in den Lichthof.

Hans Scholl und Schmorell haben auch am 3.8. und 15.2.43 nachts an vielen Stellen Münchens, so vor allem auch an der Universität, Schmieraktionen mit den Inschriften "Nieder mit Hitler", "Hitler der Massenmörder", "Freiheit" durchgeführt. Nach der ersten Aktion erfuhr das Sophia Scholl, war damit einverstanden und bat - freilich vergeblich - künftig mitmachen zu dürfen!

Die Auslagen - im Ganzen ungefähr 1000 Mark - haben die Angeklagten selbst bestritten.

Probst hat auch sein Medizinstudium im Frühjahr 1939 begonnen und steht jetzt als zum Studium kommandierter Soldat im 8. Semester. Er ist verheiratet und hat 3 Kinder von 2 ½, 1 ¼ Jahren und 4 Wochen. Er ist ein "unpolitischer Mensch", also überhaupt kein Mann! Weder die Fürsorge des nationalsozialistischen Reichs für seine Berufsausbildung noch die Tatsache, dass nur die nationalsozialistische Bevölkerungspolitik ihm ermöglichte, als Student eine Familie zu haben, hinderten ihn, auf Aufforderung Scholls "ein Manuskript" auszuarbeiten, das den Heldenkampf in Stalingrad zum Anlass nimmt, den Führer als militärischen Hochstapler zu beschimpfen, in feigem Defätismus zu machen, und das dann in Aufrufform übergehend, zum Handeln im Sinne einer, wie er vorgibt, ehrenvollen Kapitulation unter Stellungnahme gegen den Nationalsozialismus auffordert. Er belegt die Verheißungen seines Flugblattes durch Bezugnahme auf - Roosevelt. Und hat dies sein Wissen vom Abhören englischer Sender!

Alle Angeklagten haben das oben Festgestellte zugegeben. Probst versucht sich mit "psychotischer Depression" bei Abfassung zu entschuldigen: Grund hierfür sei Stalingrad und das Wochenbettfieber seiner Frau gewesen. Allein das entschuldigt eine solche Reaktion nicht.

Wer so, wie die Angeklagten, getan haben, hochverräterisch die innere Front und damit im Kriege unsere Wehrkraft zersetzt und dadurch den Feind des Reiches begünstigt (§ 5 Kriegssonderstraf VO und § 91b StrGB), erhebt den Dolch, um ihn in den Rücken der Front zu stoßen! Das gilt auch für Probst, der zwar behauptet, sein Manuskript habe kein Flugblatt werden sollen, denn das Gegenteil zeigt schon die Ausdrucksweise des Manuskriptes. Wer so handelt, versucht gerade jetzt, wo es gilt, ganz fest zusammenzustehen, einen ersten Riss in die geschlossene Einheit unserer Kampffront zu bringen. Und das taten deutsche Studenten, deren Ehre allzeit das Selbstopfer für Volk und Vaterland war!

Wenn solches Handeln anders als mit dem Tode bestraft würde, wäre der Anfang einer Entwicklungskette gebildet, deren Ende einst - 1918 - war. Deshalb gab es für den Volksgerichtshof zum Schutze des kämpfenden Volkes und Reiches nur eine gerechte Strafe: die Todesstrafe. Der Volksgerichtshof weiß sich darin mit unseren Soldaten einig!

Durch ihren Verrat an unserem Volk haben die Angeklagten ihre Bürgerehre für immer verwirkt.

Als Verurteilte müssen die Angeklagten auch die Kosten des Verfahrens tragen.

Gez. Dr. Freisler           Stier.

Ausgefertigt:
Berlin, den 23. Februar 1943.
Amtsrat
Als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle.

An
den Herrn Oberreichsanwalt
beim Volksgerichtshof
mit 17 Abschriften
und den Akten.

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Auf diesen Artikel verweisen: Volksgerichtshof